EZB im Spannungsfeld: Vertrauen der Märkte vs. institutionelles Misstrauen
- Die EZB genießt Vertrauen der Märkte, aber institutionelles Misstrauen wächst.
- Der digitale Euro und Frankreichs Schulden zeigen das Spannungsverhältnis deutlich.
Die Europäische Zentralbank (EZB) steht vor einem Paradox: An den Finanzmärkten genießt sie großes Vertrauen, während institutionelles Misstrauen wächst. Besonders betroffen sind die Themen hochverschuldeter Staaten wie Frankreich und der digitale Euro.
Vertrauen ist ein entscheidender Faktor in der Wirtschaft. Es ersetzt formale Sicherheiten und senkt Transaktionskosten. Bei der Staatsverschuldung entscheidet Vertrauen über die Tragfähigkeit hoher Schulden, nicht nur Kennzahlen wie Schuldenquote oder Defizit.
Verliert ein Staat das Vertrauen, kann sich die Finanzlage schnell verschärfen. Frankreichs Umgang mit seiner hohen Verschuldung ist bemerkenswert, da die Märkte gelassen bleiben.
Frankreich hat eine Staatsverschuldung von 115% des BIP und jährliche Defizite über 5%. Politische Reformen sind nicht absehbar, was höhere Risikoaufschläge rechtfertigen würde.
Dennoch rentieren zehnjährige französische Staatsanleihen nur 0,7 Prozentpunkte höher als deutsche. Akute Krisenangst spiegelt sich nicht in den Zinsen wider.
Das Vertrauen der Märkte richtet sich weniger auf Frankreich als auf die EZB. Investoren erwarten, dass die EZB im Ernstfall stabilisierend eingreift.
Seit 2022 kann die EZB mit dem Transmission Protection Instrument (TPI) gezielt Anleihen kaufen, um Marktverwerfungen zu verhindern. Voraussetzung ist, dass Zinsanstiege nicht durch fundamentale Probleme erklärbar sind.
Im Fall Frankreichs wären höhere Zinsen fundamental begründbar. Das Land verletzt mehrere Kriterien für die Ankauffähigkeit von Staatsanleihen.
Die Märkte bleiben gelassen, da Investoren auf die flexible Auslegung der EZB-Regeln vertrauen. Sie erwarten pragmatisches Handeln der EZB, auch wenn Regeln gebrochen werden.
Dieses Vertrauen ist rational, basiert aber auf institutionellem Misstrauen gegenüber der Regelbindung der EZB.
Beim digitalen Euro zeigt sich das Misstrauen deutlicher. Die EZB betont, dass der digitale Euro Bargeld ergänzen soll, doch viele Bürger sind skeptisch.
Kritiker befürchten die Abschaffung von Bargeld oder stärkere staatliche Kontrolle über Zahlungsströme. Zusicherungen der EZB reichen nicht aus, um diese Sorgen auszuräumen.
Die Glaubwürdigkeit öffentlicher Institutionen ist beschädigt. Märkte trauen der EZB Regelbrüche zu, Bürger zweifeln an der Einhaltung von Zusagen.
Kurzfristig stabilisiert das Vertrauen in die Interventionsbereitschaft der EZB die Finanzmärkte. Langfristig ist dieses Gleichgewicht fragil, da Vertrauen auf Regelbrüchen kein belastbares Fundament ist.
Beim digitalen Euro wird das Problem sichtbar: Der Vertrauensverlust kehrt sich gegen die Institution selbst. Wo Glaubwürdigkeit fehlt, helfen weder technische Konzepte noch politische Zusicherungen.